Die Eröffnung im Schmuckmuseum ist abgesagt, doch die ethnografische Sammlung wird ab 5. Dezember für Besucher geöffnet sein. Cornelia Holzach, Leiterin des Schmuckmuseums Pforzheim im Interview.
Wegen der aktuellen Entwicklung der Coronazahlen wird die Eröffnung der Neupräsentation der ethnografischen Sammlung am Sonntag, 5. Dezember, 11:30 Uhr, abgesagt. Dennoch ist die Ausstellung für Museumsbesucher ab diesem Tag verfügbar. Auf der Homepage des Schmuckmuseums wird ab Mitte Dezember ein Film zu sehen sein (www.schmuckmuseum.de).
Der ethnografische Nachlass Herion neu präsentiert
Mit der Neupräsentation des Nachlasses Herion, der im Dialog zu Schmuck aus der Sammlung gezeigt wird, setzen Sie ein vollkommen neues Ausstellungskonzept um, was sind die Hauptmerkmale?
Cornelie Holzach: Wir wollen einen Diskurs starten, sowohl unter Fachleuten, als auch mit den Besuchern. Möglicherweise werden die Besucher beim Betreten des Raumes zunächst etwas verunsichert sein, da gewohnte Kategorien wegfallen. Doch wer sich darauf einlässt, kann die Exponate ganz neu und wertfrei betrachten. Wir lösen gängige Kategorien wie »Epochen«, »chronologische Anordnung« oder die Gegenüberstellung von Fremdem und Vertrautem komplett auf. Es geht darum, den Schmuck an sich ins Zentrum zu rücken. Die Gemeinsamkeiten der Schmuckstücke werden hervorgehoben, egal ob es ein Ring aus Afrika ist oder ein zeitgenössisches Stück aus Berlin. Auf jegliche Art von Hierarchisierung wird verzichtet. Wir gruppieren den Schmuck nach übergeordneten Themen wie »opulent« oder »rund«, die der Betrachter beim Rundgang selbst entdecken kann. Er wird somit ganz neue Aspekte am Schmuck wahrnehmen. Zudem wollen wir dem Besucher Fragen stellen; Fragen allgemeiner Art, die zum Nachdenken anregen, beispielsweise »Wie schwer ist schwer?« oder »Tragbar oder untragbar?«. Gerade in Zeiten der Diskussion um ethnografischen Schmuck wollen wir eine andere Einordnung ermöglichen und die Stücke zur Diskussion stellen.
Wird der Besucher mit einbezogen?
Cornelie Holzach: Ja, auf jeden Fall, sogar in mehrfacher Hinsicht. Wir haben ein Stehpult im Raum platziert, an dem die Besucher ihre Eindrücke niederschreiben oder schildern können. Sie können sowohl das Konzept als auch die Exponate kommentieren. Wir sehen das als große Chance und als Experimentierfeld, wir wollen damit auch austesten, wie es bei den Besuchern ankommt, um zu sehen, ob sich das als zukunftsträchtiges Konzept erweist. An den Wänden hängen Zettel mit Heftklammern befestigt, die wir im Laufe der Ausstellung austauschen. Es wird kein abgeschlossenes Ergebnis präsentiert, vielmehr geben wir den Verlauf einer intensiven Debatte, eines Prozesses bekannt und lassen uns dabei in die Karten schauen. Wir haben uns, gemeinsam mit dem Ethnologen Dr. Andreas Volz und der Kunsthistorikerin Dr. Martina Eberspächer, auf den Weg gemacht, ein neues Konzept zu entwerfen. Verantwortlich für die Gestaltung sind die Innenarchitektin Cornelia Wehle und L2M3 Kommunikationsdesign. Wir haben uns intensiv gefragt, wie wir mit den Schmuckformen umgehen, und in einer ersten Etappe machen wir mit dieser Neupräsentation einen Vorschlag, den wir gut finden, und fordern dazu auf, darüber zu sprechen.
Werden denn auch die Vitrinen verändert?
Cornelie Holzach: Die Vitrinen aus den 1980er Jahren bleiben vorerst. Das Reuchlinhaus steht seit 1989 unter Denkmalschutz, und wir möchten ihm langfristig gerne den ursprünglichen, wie von Manfred Lehmbruck gestalteten Charakter zurückgeben. Die massive, blockhaft-statische Wirkung der Vitrinen, die noch vor 1989 eingebaut wurden, möchten wir jedoch in gewisser Weise aufbrechen – zum Beispiel, indem wir Linien zeichnen und ziehen, die symbolisch Verbindungen zwischen unterschiedlichen Kulturen aufzeigen. In der Mitte des Raumes bildet die zentrale Vitrine, die von der Decke bis zum Boden reicht, einen Anziehungspunkt. Dort hängt eine Art Schmuckwolke, die Fülle und Üppigkeit suggeriert. Sie ist ein echter Hingucker, an dem die Besucher schon jede Menge entdecken können! Die Textbereiche decken unterschiedlichste Themen ab und werden, wie erwähnt, immer wieder ausgetauscht. Wir haben so viel Material – das lässt sich nicht alles live darstellen. Deswegen wird es zusätzlich eine digitale Plattform geben, ebenfalls als work in progress, auf der die User als Avatare durch die Zeiten und Länder reisen und selbst den Schmuck ausprobieren können. Wir sind sehr gespannt, wie das neue Konzept angenommen wird, und versprechen uns viel von dieser außergewöhnlichen Präsentation. Schauen Sie vorbei!

Links: Amulettkästchen „Ga’u“, Silber, Türkis Tibet, Lhasa, 20. Jh., Sammlung Eva und Peter Herion im Schmuckmuseum Pforzheim // Rechts: Brosche „Moiré“, Silber, pulverbeschichtetes Edelstahlgewebe Thanh-Truc Nguyen, Berlin, 2012, Schmuckmuseum Pforzheim, Schenkung von ISSP/Förderankauf „Junge Schmuckkunst“ im Museum 2014. Foto Petra Jaschke

Eine Wolke aus Schmuck mit einer Fülle unterschiedlicher Schmuckstücke in der zentralen Vitrine der neu gestalteten ethnografischen Sammlung Herion im Schmuckmuseum Pforzheim. Foto Petra Jaschke